Titel Jahrbuch
Friedrichshafener Jahrbuch

für Geschichte und Kultur 2009, Band 3
Die Aufsätze:
Jürgen Oellers1200 Jahre Schnetzenhausen – Streiflichter aus der Ortsgeschichte
Ernst Haller
Lehen und Besitzgüter des Konstanzer Heilig-Geist-Spitals in Fischbach
Bianca Hahnen
Hüte- oder Schwabenkinder in Friedrichshafen
Veit Becher
Die Flakkaserne Friedrichshafen in Schnetzenhausen 1937-1945
Paul J. Fundel
Nationalsozialistischer Wohnungsbau in Friedrichshafen:
Die Wohngebiete Meistershofen, Schreienesch und Mühlösch
Eveline Dargel
Neubeginn des kulturellen Lebens während der französischen Besatzungszeit von 1945 bis 1949
Hartmut Semmler
Die Seniorenförderung der Zeppelin-Stiftung von den 1950er-Jahren bis heute
Dieser Band würdigt 1200 Jahre Ortsgeschichte des Friedrichsha­fener Stadtteils Schnetzenhausen: Als ‚Kulminationspunkt’ dient nicht nur die Eingemeindung nach Friedrichshafen im Jahr 1937, sondern vor allem die dafür grundlegende Planung und Erstellung der Flakkaserne auf der Schnetzenhausener Gemarkung Fallenbrunnen. Der mittelalterlich-frühneuzeitliche Besitz des Konstanzer Heilig-Geist-Spitals an einem Hofgut in Fischbach wird sozialgeschichtlich ebenso dargestellt wie die für die Endphase des Hütekinderwesens spezifische Rolle Friedrichshafens als Ankunftsort der Schwabenkinder und als bedeutender Hütekindermarkt für die oberschwäbische Landwirtschaft. Architektonische und städteplanerische Einsichten bietet eine Darstellung des nationalsozialistischen Wohnungsbaus am Beispiel von drei Friedrichshafener Siedlungen. Für die Zeppelinstadt der Nachkriegszeit wird der Neubeginn des kulturellen Lebens aufgezeigt und ein Einblick in die Seniorenförderung durch die Zeppelin-Stiftung vom Jahr 1947 bis in die 1980er-Jahre gegeben.

Jürgen Oellers
Jürgen Oellers

1200 Jahre Schnetzenhausen – Streiflichter aus der Ortsgeschichte

Informative Sequenzen erzählen die 1200jährige Ortsgeschichte des Friedrichshafener Stadtteils Schnetzenhausens, das sich damit zu den älteren Siedlungen im heutigen Bodenseekreis zählen darf. Von der Ersterwähnung im Jahre 809 an verfolgt der Aufsatz in einem Zeitraum von rund 700 Jahren die eigentums- und verwaltungsrechtlichen sowie die gerichtlichen Strukturen, denen das Dorf unterworfen war. Dazu zählt beispielsweise, dass Schnetzenhausen ab 1486 rund drei Jahrhunderte in österreichischem Besitz war. Der Beitrag gibt Einblicke in das kirchliche Leben, der Ein- und Auswanderung nach und von Schnetzenhausen (1780-1806), dem Weinanbau oder den Problemen der Wasserversorgung (Entwässerungsgenossenschaft Berg und Schnetzenhausen, Seewasserwerk Manzell), und bezieht somit auch kirchen- und alltagsgeschichtliche Aspekte in die Abhandlung ein.

Einblicke in die jüngere politische Geschichte des Ortes werden von den Umbrüchen im 19. Jahrhundert bis zur Eingemeindung in die Stadt Friedrichshafen im Jahr 1937 gegeben.


Heike Vogel
Ernst Haller

Lehen und Besitzgüter des Konstanzer Heilig-Geist-Spitals in Fischbach

Ernst Haller beschreibt eine vom Heilig-Geist-Spital in Konstanz betriebene mittelalterliche und frühneuzeitliche Gutsverwaltung in Fischbach. Sozialgeschichtliche Aspekte werden dabei genau so vor Augen geführt wie politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Dadurch wird die Bedeutung einer regional weit greifenden Spitalstiftung von ihren Anfängen im 13. Jahrhundert bis ins 19. Jahrhundert fassbar.


Paul J. Fundel
Bianca Hahnen

Hüte- oder Schwabenkinder in Friedrichshafen

Spätestens seit dem Fernsehfilm „Schwabenkinder“ aus dem Jahr 2003 ist die Problematik der „Schwabengänger“, also Kindern, die aus den armen Bergdörfern Tirols und Vorarlbergs während der Sommermonate als Hütekinder ins reiche Oberschwaben geschickt wurden, bekannt. Doch kratzte der Film bestenfalls an der historischen Oberfläche. Die Aufarbeitung dieses Themas wird ein grenzüberschreitendes Museums- und Forschungsprojekt für 2011 sein, an dem sich auch Friedrichshafen beteiligt. Denn nicht nur Ravensburg spielte als Marktstätte zu Verteilung der jungen Arbeitskräfte eine wichtige Rolle, sondern auch in Friedrichshafen etablierte sich ein Markt, auf dem sich die Hütekinder an Bauern der Region verdingen mussten. Aber nicht nur die Verteilung, sondern auch das Sammeln der Hütekinder im Herbst war ein aufsehenerregendes Ereignis, das sich thematisch bis in die Zeitungsartikel niederschlug. Das Ende des Friedrichshafener Hütekindermarktes wurde schließlich kurz vor dem Ersten Weltkrieg mit der Einführung der Schulpflicht eingeleitet.


Martin Kohler
Veit Becher

Die Flakkaserne Friedrichshafen in Schnetzenhausen 1937-1945

Der Beitrag von Veit Becher nimmt die für die Eingemeindung grundlegende Planung und Erstellung der Flakkaserne auf der Schnetzenhausener Gemarkung Fallenbrunnen zum Anlass, diese bislang nur unzureichend dargestellte militärische Anlage näher zu beleuchten. Dargestellt werden dabei nicht nur die planerischen Anfänge und die verschiedenen Bauphasen, sondern auch die Belegung und die Funktion dieser für die ‚Festung Friedrichshafen’ so wichtigen Flakkaserne. Die Friedrichshafener Flakkaserne wurde von 1937 bis 1943 durch den ‚Reichsfiskus Luftfahrt’ errichtet, die Bau¬ausführung der Flakkaserne in Schnetzenhausen lässt sich in insgesamt in zwei zeitlich, räumlich und funktional ineinander verschränkte Bauphasen unterteilen. Genutzt wurde die Flakkaserne nicht nur von deutschen Flakmannschaften, sondern gegen Kriegsende auch von ungarischen Flakkadetten, die in der Flakkaserne untergebracht und unterrichtet wurden, sowie nach dem Krieg vom französischen Militär.


Hartmut Semmler
Paul J. Fundel

Nationalsozialistischer Wohnungsbau in Friedrichshafen: Die Wohngebiete Meistershofen, Schreienesch und Mühlösch

Anhand dreier Baugebiete beschreibt der Autor, wie schwer sich das nationalsozialistische Regime in den 1930er-Jahren tat, sein propagandistisch dargestelltes Bauprogramm umzusetzen. Obwohl Friedrichshafen mit seinen Industriebetrieben zu den kriegswichtigen Regionen Deutschlands gehörte, gelang es den Verantwortlichen nicht, den Wohnungsbau voranzutreiben. Die Siedlungen in Meistershofen, Mühlösch und Schreienesch zeigen eindrücklich, wie mit kleinen Wohneinheiten, unzähligen Bauverordnungen und erschwerter Materialbeschaffung unter Kriegsbedingungen die Wohnungen nur langsam und mit einfachster Ausstattung errichtet werden konnten. Dass diese Wohngebiete heute als recht ansprechende Wohnviertel gelten, ist in erster Linie den behutsame Modernisierungen der Nachkriegszeit zu verdanken. Mit Balkonanbauten und großzügigen Grünanlagen erhielten die Gebäude der 1930er-Jahre eine zeitgemäße Wohnqualität. Dennoch sind die zentrumsnahen Wohnsiedlungen in der Zukunft als Ensembles gefährdet, da einzelne Wohnungen in Privateigentum umwandelt werden und die öffentliche Hand sich immer mehr aus dem sozialen Wohnungsbau zurückzieht.


Jürgen Oellers
Eveline Dargel

Neubeginn des kulturellen Lebens während der französischen Besatzungszeit von 1945 bis 1949

Der Beitrag beleuchtet den Wiederbeginn des Kulturlebens in der vom Zweiten Weltkrieg schwer beschädigten und von den Franzosen besetzten Stadt Friedrichshafen. Untersucht werden die Einflussnahme auf das Kulturleben durch die Besatzungsmacht, die Kulturpolitik der damaligen Landesregierung in Tübingen und das Wirken der Kräfte vor Ort, angefangen von der Stadtverwaltung bis hin zu privaten Initiativen in der Zeit von 1946 bis etwa 1950.

Im Vergleich zu Städten mit besserer Ausgangsposition wie Ravensburg oder Tettnang waren die Anfänge bescheiden, dennoch gab es bereits 1948 (Kulturwoche) und 1949 (Bodenseefestspiele) erste Großereignisse mit überregionaler Ausstrahlung. Die Einflussnahme durch die Besatzungsmacht ist nicht so hoch zu veranschlagen wie das Engagement vor Ort und die aktive Unterstützung durch die damalige Landesregierung. Sukzessive wurden wieder – neben den zahlreicher werdenden Kulturveranstaltungen - die Bücherei, das Volksbildungswerk und ein Museum in Betrieb genommen. Die beengten Räumlichkeiten und knappen Finanzmittel zwangen lange Zeit zum Improvisieren.

Erst seit den 1980er-Jahren, nicht zuletzt durch das kulturelle Engagement der Zeppelin-Stiftung, erhielt Friedrichshafen das heutige reichhaltige Kulturangebot, das die Stadt zu einem in dieser Hinsicht ebenbürtigen Partner unter den Städten der Region macht.


Hartmut Semmler
Hartmut Semmler

Die Seniorenförderung der Zeppelin-Stiftung von den 1950er-Jahren bis heute

Der Beitrag befasst sich mit der Seniorenförderung der Zeppelin-Stiftung in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Zeppelin-Stiftung ist heute eine der größten gemeinnützigen Stiftungen bundesweit. Neben der Kinder- und Jugendförderung waren und sind Unterstützungsleistungen für ältere Menschen eine wichtige Säule in der Hilfstätigkeit der Stiftung. In der Rückschau zeigt sich jedoch, dass es breitenwirksame Hilfsleistungen für diese Personengruppe erst seit rund dreißig Jahren gibt. In den 1950er bis 1970er Jahren wurde nur in schweren Einzelfällen geholfen, da – dem damaligen Zeitgeist entsprechend – Pflege und Betreuung älterer Menschen als private Angelegenheit der Familien galten. Erst nach der gesellschaftspolitischen Neuorientierung in der Seniorenpolitik der Bundesrepublik in den 1980er Jahren legte auch die Zeppelin-Stiftung einen Fokus auf kulturelle und anspruchsvolle betreuerische Angebote für ältere Menschen.